Ariane Barth: Im Rotlicht – das explosive Leben des Stefan Hentschel. Die Autorin Ariane Barth schreibt für den SPIEGEL und hat Bücher über das Hamburger Rotlichtmilieu verfasst.
Eine Legende vom Kiez war der Zufallszuhälter Stefan Hentschel, dessen Leben tragisch in der Gaststätte Ritze endete. Kurz nach Weihnachten im WM-Jahr 2006 erhängte er sich im Boxkeller im Erdgeschoss.
Zu seinen Lebzeiten teilte er sich der Autorin des Buches „Im Rotlicht“ in langen Gesprächen unverblümt mit. Kurz, direkt und ohne Schnörkel „übersetzte“ Ariane Barth seine Lebensbeichte in bestem Kiez-Jargon – und der liest sich kernig.
Hentschels Kindheit und Jugend
Das Buch „Im Rotlicht“ beginnt in der Jugend Stefan Hentschels. Sein Vater macht sich nach Westen auf und sein Opa verlässt die von ihm so geliebte Oma wegen einer Jüngeren. Mit neun Jahren holt der Vater dann den Jungen und die Mutter „rüber“, Zielort: Hamburg. Die Ehe gestaltet sich schwierig. Gewalt und Alkohol prägen das häusliche Leben.
Hentschel wird in einen Lehrberuf gedrängt, den er nicht will und landet schließlich beim Bund und in einer Kurzehe. Früh beginnt er seinen Körper fit zu halten.
Der Einstieg ins Milieu
Der Einstieg ins Milieu beginnt als Wirt in der Amigo Bar und so langsam lernt er das „Café Cherie“ und andere Puffs kennen. Sein erstes Mädchen für das er die „Abstecke“ (Ablösegebühr für Prostituierte) dank seiner drohenden Gestalt einspart, bringt ihm viel Geld. Und so nach und nach erweitert er seinen Harem.
Was natürlich unter den Damen zu Eifersucht und wüsten Szenen führt. Hier ein kurzer Auszug. Auftritt Josefa.
„Sie kam mit ihrer Freundin als Gast ins MicMac. Wenn du die gesehen hättest, dann brauchst du eins und eins nur zusammenzählen. Sie hat Katzenaugen und sie hat Zähne gehabt, du dachtest, die beißt ´nen Kotelettknochen durch. Riesengroße weiße Zähne, davor konnte man Angst kriegen. Rabenschwarze Haare. Über die Figur brauche ich nicht sprechen, perfekter geht nicht mehr. Ein göttlicher Arsch. Vom Temperament hat sie immer den vierten Gang drin gehabt. Ich war ja jung, ich sah gut aus, ich hab mein Ding gemacht. Du hast ´ne Frau im „Café Cherie“, die liebst du. Du hast oben ´ne Absteige, in der steht nur ein Gummibaum und ´ne Rammelwiese, ein ideales Stoßkabinett für mich. Und da kommt Josefa. Als ich sie seh, werd ich vom Flammenwerfer in den Arsch getroffen. Zum Sex mit ihr brauchte man einen Helm.“
Schonungslos erzählt Hentschel in dem Buch „Im Rotlicht“ über seine zahlreichen Suffs, teure Autos und seine Kiezehre, die mit dem Aufkommen der Gewalt in den frühen 80ern nichts mehr wert scheint. Er berichtet über das süße Leben eines Zuhälters mit Dauerurlaub auf Teneriffa und die nackte Wahrheit, was passiert, wenn man sich nicht um das Geschäft kümmert. Oder übers Ohr gehauen wird.
Was davon Kiezromantik ist und was Fakten sind, ist schwer zu fassen, aber darum geht es auch nicht.
Die stärksten Passagen hat das Werk, wenn Hentschel Selbstzweifel einräumt und Entscheidungen rechtfertigt. Dann spricht er die Autorin respektvoll mit „Prinzessin“ an und gibt sein echtes, verletzliches Ich preis.
Sein Fazit: „Ich hab nur was ganz Einfaches verstanden: Auge um Auge hinterlässt nur Blinde.“
Unbedingt lesen – lohnt.