Zum Tode von Jeff Pierron

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Das erste Mal begegnete ich Jeff Pierron 2012. Hans-Henning Schneidereit, der damalige Chef des Safari, hatte irgendwie keine Zeit und er verwies mich mit meinem Anliegen an Jeff. Zunächst dachte ich, als ich diesen herrlichen französischen Dialekt hörte, dass der Mann mit der Glatze mich ein wenig veralbere. Aber nein, er sprach immer so. Er interpretierte seine Muttersprache innerhalb seines Deutsch und das klang einfach „formidable“.

Nachdem nach dem Termin erst mal weiter nichts geschah, verlor ich ihn aus den Augen. Dann traf ich ihn wieder bei einem Turm-Snack der IG Sankt Pauli. Wir unterhielten uns länger. Das „Safari“ war mittlerweile geschlossen und durch das Bierdorf ersetzt. Er mokierte sich, dass es keine erotischen Darbietungen mit einem künstlerischen Anspruch mehr auf dem Kiez gab, überhaupt sei alles zu Formatangeboten verkommen. Die Verrücktheit sei verschwunden. Die Läden machten nur noch was eben kalkulierbar gut laufe, weil auch die Mieten extrem teuer geworden waren.

Bei einem Wein bei seinem Lieblingsitaliener Trattoria Italia erzählt er dann, wie er zum Dramaturg in der Sparte Live-Sex wurde. Damals hatten viele Läden wie das „Salambo“ oder das „Lady Lyn“ eine spezielle Cabaret-Lizenz, die Live-Sex auf der Bühne erlaubte, sofern dieser in eine Handlung eingebettet war. Seine erste Station war bei Rene Durand. Dessen Frau Renate hatte den charismatischen Franzosen als Entertainer in einem der zahlreichen Club Mediteranee gesehen und ihn ihrem Mann empfohlen. Es begann eine „künstlerische Partnerschaft“, die bisweilen auch seltsame Züge trug. So sollte Jeff immer ein Amulett mit dem Konterfei seines Mentors tragen.
„Das war mir zu verrückt. Ich habe es… verloren“, erzählt er mit einem Lächeln. „Ich war 23.“
Doch Jeff Pierron verstand in der Regel, was Durand im Salambo vor hatte und kümmerte sich um die Garderobe, Bühnenbild, die Akteure und die Musik.  Durand schrieb die Szenen und Jeff sorgte für die Darbietung. Und das mit Erfolg: das Salambo wurde zu der Attraktion der wilden 70er.

1976 wechselte er zu dem Konkurrenzbetrieb „Safari“.  Hans-Henning Scheidereit bot eine bessere Gage. Im Jahr 2000 wurde er sogar 49%er Teilhaber des Etablissements. Doch mit der sexuellen Dauerberieselung durch das Internet wurde es immer schwerer Live-Sex  zu verkaufen. Hinzu kam eine Schnäppchen-Mentalität, die für so ein Angebot schwer zu verkraften war. Alles sollte umsonst sein.
Das Hans-Henning Schneidereit an seiner Vision der Cabarets fest halten wollte, kam es schleichend zu einem Einbruch der Besucherzahlen. Mit seinem Tod endete dann auch das Safari in seiner alten Form und wurde zu einem Bierdorf.

An jenem Abend erzählten wir uns Herrenwitze, lachten über alte Louis de Funés-Sprüche  und landeten dann bei der französischen Literatur. Es war eine ganz tolle Begegnung, der noch viele folgten.

Jeff machte nach seiner Safari-Zeit Touren über Kiez und erzählte im Sankt Pauli Museum gerne über die alten Zeiten, in der Prominente sich im „Safari“ alles erlaubten, auch solche von denen man es gar nicht denkt.
Man traf ihn auf Kunstaustellungen, Probierbühnen und als Flaneur in Cafés.
Sein offenes Herz zeigte sich auch bei den Flüchtlingsstömen 2016. Er war einer der ersten, die sich in den Messehallen engagierten.

Sein Tod hat mich tief getroffen.  „Alors… gute Reise mein Freund.“

Ekkehart

Wer sich auch an so gerne ihn erinnert, kann gerne etwas in die Kommentarleiste schreiben.

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One Comment
  1. Mon petit Prince Jeff Pierron.. Ich bin so unfassbar schockiert, so traurig.. Vor nicht mal ein paar Wochen, saßen wir noch zusammen im LIEBLINGS, haben einen Espresso getrunken und du hast dich wieder mal über mein aufregendes Leben amüsiert. Wir haben gelacht, gelästert.. Du warst das letzte Stück positiver Vergangenheit, hast mir gezeigt, wie FRAU auf Stöckelschuhen läuft, dich darüber lustig gemacht, wie ich tanze und du warst der einzige Mensch, der mich dafür kritisieren durfte, aber den ich immer aufrichtig lieb gehabt habe, obwohl wir uns ständig in den Haaren lagen, von denen du gar keine mehr hattest.. Du warst der Mensch, der mich dazu brachte, Bock Korn zu trinken und ich habe trotzdem nichts verdient, nur den Kater am Morgen danach. Du hast mir gezeigt, dass so wie ich lebe, auch leben ist und das ich immer und immer wieder auf die Füße falle, nachdem ich gestolpert bin.. Ich möchte nicht das du fort bist, ich möchte das ich aufwache und du mit deinem Fahrrad um die Ecke gefahren kommst, mir zu winkst und ein freundliches „Salut mon petite Nicole“ zuwirfst. Ich will, dass du da bist. Nicht fort.. Nicht weg.. Nicht für immer.. Ich vermisse Dich…

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