allotria st pauli 1946

VARIETÉ ALKAZAR

1926 eröffnete Arthur Wittkowski im Hause der ehemaligen Hansa-Bierhallen ein Varieté – das Alkazar. Wittkowski achtete darauf, seinen Gästen stets das neueste an Unterhaltungstechnik bieten zu können.
Er ließ nach einem umfangreichen Umbau in der Mitte des Saales eine Hebebühne einrichten, die binnen Minuten versenkt werden konnte, um dann als Eisbahn, zum Tanzboden oder Wasserbassin wieder aufzutauchen. Ein Leuchter mit Wasserfontänen, um die sich leicht bis gar nicht bekleidete Tänzerinnen gruppierten, konnte von der Decke gelassen werden.

Internationale Stars wie Anita Berber, mit ihren „Tänzen der Ekstase“ eine Ikone der Zwanziger Jahre, traten hier auf. Wittkowskis Motto „Jede Viertelstunde eine Sensation und in den Pausen keine Pausen“ wurde allabendlich bis morgens um vier umgesetzt und sorgte für volle Kassen.

Das Alkazar in der Nazi-Zeit

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 geriet Wittkowski in Konflikt mit der NSDAP – als Folge wurde er durch Intrigen und Verleumdungen aus seinem eigenen Betrieb verdrängt.

Schließlich bekam das Alkazar einen neuen Direktor, im Nazi-Jargon nun „Betriebsführer“ genannt – Georg Leopold. 1936 musste der Name des Varietés geändert werden, da im spanischen Bürgerkrieg der Alkazar von Toledo, das von General Francos Faschisten besetzt war, von den Republikanern gestürmt wurde und die Faschisten eine empfindliche Niederlage einstecken mussten.

Nach dem, aus Nazi-Sicht „heldenhaften Kampf des nationalen Spaniens“, konnte eine Vergnügungsstätte nun nicht mehr den Namen „Alkazar“ tragen. Nach einem Preisausschreiben war bald ein neuer Name gefunden: „Allotria“- vielleicht nach dem im gleichen Jahr angelaufenen, gleichnamigen Film mit Heinz Rühmann. Auf alle Fälle blieb man damit ganz weit vorn im Telefonbuch und war für die Vergnügungssuchenden leicht zu finden.

Durch den gesamten Krieg hindurch blieb der Betrieb aufrecht. Das Programm war zwar ein wenig moderater als vor 1933, dennoch gab es weiterhin Nacktdarstellungen und Kapellen, die „heiße“ Musik, also Swing spielten. Ein paar Noten umgeschrieben, schon war es die „eingedeutschte Variante“.

Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg und die Bombardements der Alliierten nahezu unbeschadet. Erst Ende der 1950er Jahre, als das „Wirtschaftswunder“ in seiner Blüte stand und man sein Geld nun lieber für Konsumartikel – wobei ein Fernsehgerät ganz oben auf der Liste stand – ausgab, setzte eine Varietékrise ein, von der sich viele namhafte Häuser nicht erholten. Das Allotria schloss 1958 seine Pforten, im gleichen Jahr auch dessen großer Konkurrent, das Trichter-Varieté an der Reeperbahn 1.

Heute befindet sich dort, wo einst Anita Berber mit ihren Tänzen für Begeisterungsstürme sorgte, wo mutige Artisten sensationelle Todessprünge wagten, wo Heidi Kabel ihre Lieder schmetterte, eine Filiale der Supermarktkette Penny…

Ob sich Pauli davon jemals wieder erholt…

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