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Spielbudenplatz – das Panoptikum

Ob Kaiser oder Papst, Riese oder Zwerg, Kindsmörderin und Pirat – Friedrich Hermann Faerber machte da keinen Unterschied. Sie mussten alle ihren Teil leisten – und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Seit 1879 sind sie im Panoptikum ausgestellt, aus Wachs modelliert vom Gründer selbst. Am 12. Mai 1879 eröffnete Friedrich Hermann Faerber, ein aus Ostpreußen stammender Tischler, zusammen mit seinem Schwiegervater, dem Schießbudenbesitzer Friedrich Ferdinand Heese das Wachsfigurenkabinett Panoptikum. Umbaupläne des Hausbesitzers zwangen zum Umzug in die repräsentativeren Räume der Wilhelmshalle.

Faerber hatte am Spielbudenplatz 3 eine im wahrsten Sinne „zauberhafte“ Welt geschaffen, in der sich die A-Prominenz jener Zeit, Helden der Vergangenheit, Freund und Feind versammelten. Märchenwesen tummelten sich um einen Springbrunnen im Treppenhaus, ein eigens entworfener Apparat ließ tanzende Elfen schweben und ein Labyrinth aus Spiegeln führte die Besucher durch orientalische Pracht. Ganz dem Zeitgeist entsprechend, zeigte das Panoptikum im 19. Jahrhundert lebende „Sensationen“ wie die siamesischen Zwillinge Rosa und Josepha oder Mariedl, „das größte Weib, das je gelebt“.

„Von den Bretterbuden der Wachsfigurenkabinette, die auf dem Hamburger Dom und auf anderen Jahrmärkten gastierten, war das Panoptikum meilenweit entfernt. Anders als bei den umherziehenden Wachsfigurenschauen war es in einem festen Haus auch möglich, einen viel größeren Dekorationsaufwand zu treiben“. Die Lokalpresse lobte die Einrichtung und Ausstattung des neuen Panoptikums.

Gezeigt wurden Szenen, „angesiedelt zwischen Fürstenglorie und dem Schrecken der Brandkatastrophe (1842)“. Man konnte badende Nymphen sehen, Störtebekers Gefangennahme, die kaiserliche Familie, berühmte Hamburger Ratsherren und vieles mehr.

Als der Gründer 1908 starb, blühte das Geschäft. Seine Söhne hingegen mussten das Haus durch schwere Zeiten steuern: Weil sie sich gegen das Kino nicht behaupten konnten, mussten viele Wachsfigurenkabinette in den 1920ern schließen. Das Panoptikum überstand die Krise und erzielte zu Beginn der 1940er Jahre sogar Besucherrekorde. Da die Brüder laufend neue Figuren anfertigten, hatte die Ausstellung mittlerweile 300 Exponate.

Im Juli 1943 zerstörten Brandbomben das Lebenswerk. Das Gebäude war eine Ruine, „überlebt“ haben nur 28 Figuren, die man vorsorglich außer Haus gebracht hatte. Mehr als 140 Wachsfiguren verbrannten; nur 17 komplette Figuren, zwei Figuren ohne Kostüme und 14 einzelne Wachsköpfe konnten im letzten Moment geborgen werden. Die Inhaber, die Brüder Arthur und Hermann Faerber, begannen jedoch unverzüglich in ihrer Wohnung mit der Reparatur der Figuren und der Herstellung neuer Köpfe. Mit ihnen wagten sie 1948 in provisorischen Räumen den Neustart – es lohnte sich und Mitte der 1950er Jahre konnte ernsthaft über einen Neubau nachgedacht werden. 1961 wurde dieser fertiggestellt – die Entwürfe stammten von Heinz-Hermann Faerber, der die Nachfolge seiner Vaters und Onkels antrat.

1947 erteilte die britische Militärregierung die Erlaubnis, in der Gebäuderuine am Spielbudenplatz eine provisorische Werkstatt einzurichten und die noch vorhandenen Räumen zu überdachen.

Am 20. Juni 1948 wurde ein provisorischer Ausstellungsraum für das Publikum geöffnet. Ein Reporter der Lübecker Nachrichten berichtete nach seinem Besuch:

„Da lehnt an der Wand der im Bombenkrieg schwer beschädigte Hindenburg in zerfetzter Papiermaché ohne Uniform und Kopf, da steht auf dünnen Holzbeinen der martialische Ludendorff, da hat […] Väterchen Stalin den Bart gestutzt bekommen und die ‚Großen Drei‘ (Roosevelt, Stalin und Churchill) sitzen im gewagtesten Negligé beisammen. Neben ihnen in einer Nische steht das Prunkstück: die nur hinten an den Rockschößen leicht angesengte, nach dem Hohlbeingemälde lebenswahr mit echtem Hosenbandorden und kostbarer Kleidung versehene Figur Heinrichs VII. Da bekommt gerade der einstige Berliner Filmliebling Rotraud Richter ein kesses Kleidchen anprobiert, das die splitternackten Hans Albers und Willy Fritsch fachmännisch begutachten.[…]“

Da Churchills und Roosevelts Anzüge in den Bombennächten verbrannten, mussten die Smokings der beiden Faerber – Brüder herhalten, damit die Figuren standesgemäß präsentiert werden konnten.

1958 wurde der Neubau des Gebäudes beschlossen, das schließlich im März 1961 eröffnet wurde.

„Jetzt war aus dem Geist der 50er Jahre etwas ganz Neues entstanden – ein Haus mit deutlichen Anklängen an die zeitgenössische Kinoarchitektur, in lichten, hellen Farben gehalten. Nur die Maske des Mephisto blickt geheimnisvoll von der Fassade auf die Passanten herab. Geschwungene Formen, Säulen mit Glimmer-Mosaiken und zierliche Geländer bestimmten den Eindruck.“

Die heutige Glasfassade wurde 2007 errichtet.

Seit seiner Gründung ist das Panoptikum durchgehend im Besitz der Familie Faerber geblieben. Ab Mitte der 80er Jahre leitete Beate Faerber, die Ehefrau des Gründer-Urenkels Dr. Hayo Faerber die Geschicke des Hauses. Seit ihrem Tod 2006 betreibt Dr. Hayo Faerber das Panoptikum.

Bis heute ist das Panoptikum ein Familienbetrieb – und weltweit das einzige, das dem „Engel der Herbertstraße“ Domenica ebenso ein Denkmal setzt wie dem Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem Haushandwerker Helmut Straßmair.

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