Millerntor 1 – Konzerthaus Ludwig

Keine Stelle wäre eine geeignetere Visitenkarte für die Reeperbahn als der Millerntorplatz 1 an der Schwelle zum Amüsierviertel. Von 1889 bis 1943 erfüllte das imposante Konzerthaus Ludwig, später Hamburger Volksoper, diese Funktion. Ein würdiger Vertreter, an dem Hoch- und Unterschichtenkultur und ihre Träger zusammenkamen.

Schon seine Architektur vereinigte Gegensätze: Vorbild des volkstümlich ausgerichteten Hauses auf St. Pauli war das ehrwürdige, kaiserlich-königliche Wiener Burgtheater.

Über die Eröffnung des nach dem Vorbild der Wiener Volkstheaters gebauten Konzerthauses berichtete die Zeitschrift Reform in ihrer Ausgabe vom 25. November 1887:

ludwig_1„Das neue Ludwigsche Etablissement in St. Pauli war gestern zum ersten Male einer Reihe Eingeladener geöffnet. Überraschend ist der Eindruck für jeden, der zuerst den großartigen Wintergarten betritt. Vor allen Dingen überrascht die gewaltige Höhe des Raumes, der in einen Kuppelbau endet und der bis zu einer Höhe von 60 Fuß mit Tuffsteingrotten ausgestattet ist. […] Den Glanzpunkt des Wintergartens bildet jedoch der Wasserfall, der von der Spitze des Gebäudes durch drei Etagen herabfällt. Wie über die via mala führt über diesen Wasserfall eine geschmackvolle Brücke, an der sogar das Mutter-Gottes-Bild nicht fehlt. Magisch wird der Anblick, wenn der gesamte Wintergarten wie mit einem Zauberschlag bis in die innersten Grotten durch etwa 500 Glühbirnen in den verschiedenen Farben beleuchtet wird. Während die Musikbühne, groß und geräumig, den östlichen Teil des Raumes einnimmt, thront auf dem gegenüberliegenden Plateau eine Kolossalbüste des Kaisers.“

„Die ganze Einrichtung des Wintergartens, wie Geländer, Sitze usw., sind aus Naturholz. Massiv, wie der echte Biertrinker sein muss, ist der in altdeutschem Geschmack gehaltene Biersaal. Zu loben ist dabei, dass der Architekt dem Biertrinker einen höchst soliden Sitz geschaffen hat, der ihm, entgegen den so gebräuchlichen Wiener Stühlen, in allen Leibesnöten einen sicheren Halt gewährt. Von dem Biersaal gelangte man in den Speisesaal und den Hochzeitssaal, welche in edelstem Geschmack der französischen Renaissance gehalten sind. Während der Speisesaal Embleme der Jagd, Fischerei und dergleichen zeigt, bemerken wir im Hochzeitssaal die verschiedenartigsten Symbole der Liebe. Zu erwähnen dürften noch die beiden Kegelbahnen sein, die durch ihre praktische Einrichtung nicht verfehlt werden, einen Magnet für alle Kegelfreunde abzugeben.“

Konzerthaus Ludwig mit Kriegsschaden1910 wurde aus dem Konzerthaus ein Theater. Ab 1914 residierte hier die Hamburger Volksoper. Durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges erlitt das Haus durch den Mangel an Künstlern und Publikum eine Pleite.

1917 übernahmen zwei Österreicher, Carl und Alexander Richter, die Intendanz und sorgten durch die Aufführung von Operetten, vor allem von Kálmán und Lehár, wieder für schwarze Zahlen. 920 zog das Café Heinze (Millerntorplatz 2a) in einen Art-Deco-Neubau an die Stelle des ehemaligen Wintergartens. In den Bombennächten des Juli 1943 verschwand die ganze Pracht. Was an Trümmern übrig war, wurde 1950 abgerissen und 1965 mit dem Millerntor-Hochhaus aus Glas und Beton bebaut.

Nach dem Abriss der Kriegsruine, die einst das Konzerthaus Ludwig war, wurde 1966 der Bau des Iduna-Hochhauses fertiggestellt.

Bis 1987 beherbergte es das Oberverwaltungsgericht, Datenschutzbeauftragte, Reedereien und Ingenieurbüros. Ab 1987 stand das asbestverseuchte Gebäude leer. Bereits 1993 gab es eine Genehmigung zum Abriss, doch erst zwei Jahre später, am Sonntag dem 19. Februar 1995 wurde das Hochhaus gesprengt.
1998 wurde das neue, 41m hohe Millerntor-Hochhaus fertig gestellt. Von der glanzvollen Vergangenheit ist allein die Konzertorgel übrig geblieben. Sie befindet sich heute in der Kirche St. Bonifatius der katholischen Gemeinde Eimsbüttel.

Eva Decker, Aug. 2016

Quellen, Literatur, Onlineressourcen:

Carl Thinius: Carl Thinius: Damals in St. Pauli. Lust und Freude in der Vorstadt. Hamburg, 1975. S. 103.
Eva Decker, Jörg Schilling: Beim Trichter. Reeperbahn 1. Hamburger Bauheft Nr. 8, Hamburg, 2014. S. 34.
Udo Pini: Zu Gast im alten Hamburg. Erinnerungen an Hotels, Gaststätten, Ausflugslokale, Ballhäuser, Kneipen, Cafés und Varietés. München, 1997. S. 151. Konzerthaus Ludwig. o. A. Zugriff am 26.08.2016.

 

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